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Erkner Triathlon Mitteldistanz

Nachdem ich mein usprüngliches Saisonhighlight, die Mitteldistanz beim Frankfurt City Triathlon, krankheitsbedingt leider absagen musste, fiel die Wahl auf den Erkner Triathlon nahe Berlin. Auch dort war die Mitteldistanz zu absolvieren, bestehend aus 1,9km Schwimmen, 90km Radfahren und anschließend einen Halbmarathon laufen, also eine Strecke von 21 Kilometer. Das ganze, typisch Triathlon, natürlich am Stück und ohne Pause zwischen den einzelnen Disziplinen.

Vor dem Rennen

Welche Vorleistung habe ich in das Rennen mitgebracht? Ich habe dieses Jahr einen Duathlon, eine Sprintdistanz und zwei Kurzdistanzen absolviert. In dieser Trainingssaison bin ich ungefähr 6950 Kilometer Fahrrad gefahren, 1285 Kilometer gelaufen und 100 Kilometer geschwommen. Krankheitsbedingt hatte ich in der Saison einen Ausfall von ca. 3 Wochen, der mich doch ziemlich zurückgeworfen hat. Daher war meine Pacingstrategie beim Rennen eher ein „Schauen wir mal, ob wir uns an die ursprünglich gesteckten Vorgaben halten können“.

Die Anreise nach Berlin war bis auf ein wenig Stau relativ stressfrei, was aber auch am Gefährt lag! Mit meinem MINI wäre die Fahrt wohl nicht ganz so komfortabel geworden.

Wir hatten ein Zimmer in der Pension Resi im Ort Schöneiche ca. 30 Kilometer vor Berlin gebucht, doch als wir da ankamen, waren wir etwas nunja, sagen wir einmal überrascht. Ich hatte ja eigentlich mit so etwas wie einem Hotel gerechnet, tatsächlich war es aber ein ganz normales Einfamilienhaus, bei dem einfach zwei Zimmer im ersten Stock vermietet wurden. Bad, Küche, etc. musste mit der gesamten Familie und dem Mieter des zweiten Zimmers geteilt werden. Wir hatten zu zweit ein kuscheliges 1,40m breites Bett. Dazu kam, dass es in dem Haus leider echt nicht so gut roch und wir erst einmal das komplette Zimmer lüften mussten, um den Geruch zumindest aus unserem Zimmer zu bekommen. Gut, da könnte man darüber hinweg sehen, aber nicht für den Preis von ca. 80 Euro pro Nacht.

Nachdem wir unsere Taschen und unser Zeug verstaut hatten, ging es 8 Kilometer weiter in den Ort Erkner, in dem auch unser Wettkampf stattfinden sollte. Erst waren wir Essen, man will ja volle Energiespeicher für den Wettkampf haben, und anschließend haben wir uns noch etwas die Wettkampflocation angeschaut. Leider hat uns das Wetter dann aber einen Strich durch die Rechnung gemacht und es fing an zu regnen.

Am Samstag, dem Tag vor dem Wettkampf, fuhren wir in der Früh noch einmal zum Wettkampfgelände, um unsere Startunterlagen abzuholen. Dort trafen wir auf Reik und seine Freundin, Reik startete ebenfalls am Sonntag auf der Mitteldistanz. Zur Freude des Tages war das Wetter deutlich besser als am Vortag.

Nachdem wir unsere Unterlagen abgeholt hatten, fuhren wir die Radstrecke etwas entlang, denn wir wollten die Runde, die im Wettkamp drei Mal zu fahren ist, einmal testweise abfahren. Im Internet hatte ich viel über die Bodenbeschaffenheit der Strecke gelesen, viele Wurzeln und teils sehr schlechter Belag. Das wollten wir vorher einmal selbst prüfen. Und gleich vorab: Ja, die Befürchtungen bewahrheiteten sich.

Die Strecke war auf einigen Abschnitten in einem wirklich schlimmen Zustand. Zumindest verglichen mit den Wettkampfstrecken hier bei uns. Viele Bodenwellen, Betonplatten mit Rillen, aufgebrochener Asphalt, viele Wurzeln oder Straßen mit sehr vielen Huckeln, die das Fahren auf dem Auflieger sehr unrythmisch werden lassen. Aber gut, immerhin kannten wir jetzt den Großteil der Strecke und hatten ein Bild davon, was auf uns zukommen wird.

Im Anschluss sind wir noch einmal zur Wettkampfstrecke gefahren, denn dort fanden am Samstag zwei Vorab-Events statt, der Erkner 5km- und 10km-Stadtlauf.

Das Rennen

Im Rennen soll man ja nur Altbewährtes machen und auch unmittelbar vor dem Rennen soll man keine neuen Spielchen mehr treiben, also bin ich – ganz vorbildlich – mit quasi ungetesteter Sitzposition auf dem Rad und bisher nicht erprobtem Frühstück (zwei Scheiben Brot mit Honig) gestartet. Klasse. Und wie das lief, könnt ihr jetzt lesen. Es war Punkt 08:55 Uhr.

Das Starterfeld war erstaunlich klein und dadurch vor allem erstaunlich angenehm, wir waren gerade einmal 76 Starter beim Schwimmstart, der als Massenstart ausgetragen wurde. Es war ein Landstart, das bedeutet, dass man sich noch nicht im Wasser befindet, sondern eben vor dem Wasser am Ufer steht und nach dem Startschuss erst noch ins Wasser laufen muss. Ganz amüsant war, wie die Gruppe sich platzmäßig organisiert hatte. In der ersten Reihe, also ganz vorne am Wasser, standen nur ca. 15-20 Athleten. Danach würde man die zweite Reihe an Startern erwarten, aber dem war nicht so. Danach kam nämlich erstmal ein breiter freier Grünstreifen, denn die restlichen Starter, mich eingeschlossen, reihten sich ganz hinten ein. Die Hintergedanken waren wohl bei jedem gleich, ja nicht zuweit vorne starten.

Startschuss 09:00 Uhr. Wir liefen relativ ruhig nach der ersten Gruppe ins Wasser, kein hektisches Rennen bei den ca. 50 Startern aus meiner hinteren Reihe. Es galt einen Rundkurs von ca. 950m zwei mal im Uhrzeigersinn zu umschwimmen.

Die ersten 200-300 Meter wurden dazu genutzt, sich überhaupt etwas freizuschwimmen. Obwohl wir ein relativ kleines Startfeld waren, war ich doch erstaunlich lange eng umringt von anderen Schwimmern. Angenehm war jedoch, dass es fast keinen Körperkontakt mit anderen Schwimmern gab. Während ich so vor mich hinschwamm, merkte ich, dass ich immer den gleichen Schwimmer neben oder leicht vor mir hatte. Hier wollte ich den Lerneffekt von meiner Kurzdistanz in Oberschleißheim Ende August nutzen. Wenn du nicht vorbeikommst, dann schwimm wenigstens im Wasserschatten, um Kraft zu sparen. Und das tat ich dann für das restliche Schwimmen auch. Ich rief mir währenddessen ins Gedächtnis, dass ich immer mal wieder prüfen müsste, ob der Wasserschattenspender mich nicht zu sehr ausbremst. Das habe ich getestet, indem ich aus dem Wasserschatten rausgeschwommen bin und versucht habe, an ihm vorbeizuschwimmen. Das hat jedoch nicht funktioniert, also war das Tempo schon in Ordnung so und ich habe mich wieder hinten im Wasserschatten eingereiht. Auf den letzten 300 bis 400 Metern gab es dann noch einen zweiten Schwimmer, der verdächtig nahe neben mir schwamm. Ich wusste nicht, ob dieser mir meinen Wasserschatten streitig machen wollte und schwamm etwas näher hinter meinem Vordermann. Doch der zweite Schwimmer war nach kurzer Zeit wieder weg und so ging es Richtung Schwimmausstieg.

Das ganze hatte neben dem Vorteil der Kraftersparnis für mich auch noch den großen Vorteil, dass das Schwimmen beinahe wie im Flug vergang. Es war für mich mehr eine Art kleine Herausforderung, optimal im Wasserschatten zu schwimmen. Das bedeutet, darauf zu achten, 30-40cm hinten den Füßen in den Luftblasen vom Vordermann schwimmen, die Hände links und rechts daneben im Wasser und regelmäßig auf und vor allem nach vorne schauen, ob die Richtung noch stimmt. So abgelenkt habe ich nicht wirklich oft an die noch verbleibende Strecke gedacht. Zeitllich hatte ich mir vorgenommen, unter 45 Minuten zu schwimmen. Letztendlich bin ich relativ frisch nach 42:13 aus dem Wasser gekommen.

Der Wechsel zum Laufen verlief recht uninteressant. Ich habe mir gefühlt wirklich viel Zeit gelassen, weil ich nicht mit einem zu hohen Puls aufs Rad steigen wollte. Sonst hätte es womöglich wieder lange gedauert, bis der runtergeht.

Beim Radfahren war mein Plan, die ersten 5 bis 10 Kilometer etwa 150-160 Watt zu treten, um erst einmal in das Radfahren reinzukommen. Anschließend wollte ich meine Zielleistung von ca. 180-190 Watt treten. Ich schreibe mit Absicht von „Plan“ und nicht von „Ich habe“, da die erste Runde von den anderen Startern her mit die schlimmste Runde war, die ich je in einem Wettkampf erlebt habe. Das ganze war kein Einzelzeitfahren im Triathlon, sondern unglaublich dreistes Windschattenfahren in Gruppen von bis zu 8 Personen. Bei dem Fahrer mit der Startnummer 71, Christoph Völkel, war es mir dann echt zu blöd und ich habe ihm beim vorbeifahren gesagt, dass hier Windschattenverbot herrscht, denn er ist wirklich direkt am Hinterrad vom Vordermann gefahren – die gesamte Zeit. Das hätte mir eigentlich egal sein können, war es aber nicht, da diese 8 Mann-Gruppe mein Rennen aktiv und vor allem negativ beeinflusste. Wie man so – sorry, aber absolut schlecht – Fahrradfahren kann, ist mir ein Rätsel und sowas kenne ich eigentlich nur von Fahranfängern oder Rennradfahrern, die das Wort „gleichmäßig“ nicht kennen. Die Gruppe um mich herum ist bei der kleinsten Steigung oder bei kleinen Hügeln hochgestiefelt, als gäbe es kein Morgen mehr. Dafür ist die Gruppe Bergab oder im Flachen wieder viel zu langsam unterwegs gewesen. Gleichmäßig fahren, Fehlanzeige. Aber klar, sonst würde man ja die Gruppe abreißen lassen und hätte keinen Windschatten mehr. So kam es, dass ich eben besagte Gruppe Bergab und im Flachen ständig überholte, nur damit die Gruppe anschließend bem nächsten Anstieg wieder an mir vorbeifuhr und ich rollen lassen musste, um nicht extrem im Windschatten zu fahren. Das war mir dann irgendwann wirklich zu blöd und ich bin langsamer gefahren, damit ich mal meine Ruhe vor denen habe. Das war wirklich furchtbar und hier kommt Kritikpunkt Nummer 1 an die Veranstalter: Kampfrichter habe ich auf den 98 Kilometern genau zwei mal auf dem Motorrad gesehen, ansonsten hielten bzw. standen die lieber am Rand und haben sich unterhalten. Und nein, die haben dort das Rennen nicht(!) beobachtet, denn besagte Gruppe fuhr an den parkenden Kampfrichtern mehrfach vorbei – natürlich ohne Karte für die Zeitstrafe.

Auf dieser ersten Runde wurde ich schon nach ca. 4-5 Kilometern von Reik überholt. Natürlich denkt man in so einem Augenblick immer daran, ob man nicht versuchen sollte, dran zu bleiben. Zumindest für den kurzen Bruchteil einer Sekunde. Ich habe mich dann natürlich auch gleich dagegen entschieden, denn mir war klar, dass auch eine Mitteldistanz schon ein langer Tag werden würde und gleich auf den ersten Kilometern auf dem Fahrrad zu überzocken würde es wohl nicht besser machen. Kurze Zeit später fuhr ich auf Tom Freitag auf und überholte ihn, nicht ohne kurz über die Windschatten-Gruppe hinter mir zu witzeln, die er gleich sehen wird.

Auf der zweiten Runde wurde es dann deutlich besser. Die Radfahrer der Kurzdistanz, welche eine Stunde nach uns starteten, stießen zwar auf der Radstrecke dazu, aber es war dennoch nicht zu voll und man konnte sich auf sein eigenes Rennen konzentrieren. Nur eben der Streckenbelag war dann doch irgendwie richtig mies und das fiel jetzt deutlich auf, wenn man so für sich allein fährt. Es gab zwar für viele Teile nichts an der Strecke zu beanstanden, die Male, wo der Belag jedoch mies war, war er gleich richtig mies. Und das ging richtig auf die Rücken-, Schulter- und Nackenmuskulatur. Ich fahre ja wirklich viel TT und schaffe auch 100km fast durchgehend auf dem TT im Training ohne große Probleme, aber durch die Vorbelastung vom Schwimmen und dem Belag bekam ich dann doch irgendwann das Gefühl, dass mein Rücken nicht mehr so happy über die Aeroposition ist. Ich erwischte mich dabei, wie ich den einen oderen anderen Moment länger mit aufgerichtetem Oberkörper fuhr als nötig. Hilft nichts, da muss man durch. Mein Wasser neigte sich langsam dem Ende, aber ich wollte eigentlich noch mehr von meiner Gelmischung trinken, die ja meine Ernährung und damit auch Energieversorgung für den Wettkampf darstellt. Nur traute ich mich das ohne Wasser nicht so recht und so verzichtete ich erst einmal darauf. Etwas demotivierend war auch die Erkenntnis nach 50 Kilometern auf dem Fahrrad, dass man jetzt gerade einmal die Hälte auf dem Rad geschafft hat. Toll. Am Ende jeder Radrunde war eine Verpflegungsstation mit Wasser, Iso und Co. und ich schnappte mir am Ende der zweiten Runde dann eine Wasserflasche, nicht ohne vorher meine alte Wasserflasche wegzuwerfen. Das war das erste Mal, dass ich während eines Wettkampfes während dem Radfahren eine Wasserflasche aufnahm. Das hat zum einen super geklappt, zum anderen war ich doch überrascht, mit welcher Wucht die Flasche trotz gedrosseltem Tempo in der Hand landet. Kaum vorstellbar, wie das bei voller Fahrt sein muss.

Auf der dritten Runde kam die Einsamkeit. Jetzt waren nur noch die Starter der Mitteldistanz auf der Strecke und man kann sich vorstellen, wie sich 76 Starter auf 98 Kilometer Radstrecke verteilen. Kurz gesagt: Ich sah Ewigkeiten keine einzelne Person. Keine anderen Radfahrer und auch die wenigen Zuschauer, die es in der ersten Runde gab, waren schon wieder weg. Kritikpunkt Nummer 2: Die Stimmung. So richtig Stimmung kam während der gesamten Veranstaltung eigentlich zu keiner Zeit auf, es waren wenige Zuschauer da und die wenigen, die dann doch auf der Strecke waren, gingen eben aufgrund der fehlenden Stimmung auch schnell wieder. Es gab keine Musik beim Schwimmstart, das war schon etwas komisch. Aber zurück zur dritten Runde auf dem Fahrrad. Es wurde wärmer und wärmer, ich wollte mehr trinken, aber irgendwie war mein Bauch komplett voll mit trinken. Ich wollte aufstoßen, weil ich das Gefühl hatte, das müsste ich jetzt tun, aber irgendwie kam dann nur klares Wasser raus (ja, aus dem Mund) und lief mir über den Arm. Sehr lecker, nicht. Das Wasser stand mir also schon Oberkante im Hals. Aufgabe für die Zukunft: Analysieren, warum das Wasser nicht im Magen verarbeitet wurde.

Mit dem Fahrradfahren auf dem Auflieger ist das ja immer so eine Sache. Am Anfang bügelt man die Unebenheiten und Schlaglöcher auf der Straße irgendwie weg und federt diese mit Armen, Schultern und Rücken ab. Je länger man aber auf den Aufliegern fährt, desto mehr fehlt die Lust und Konzentration, das zu machen. Und umso härter fährt man dann drüber und umso mehr regt es einen dann jedes Mal auf. So hatte ich auch den einen oder anderen Moment, an dem ich laut fluchend über solche Sachen drüber gefahren bin und mich tierisch darüber aufgeregt habe. Man hat schlichtweg keine Nerven mehr für so etwas.

Es hat Gefühlte Ewigkeiten gedauert, bis die dritte Runde endlich vorbei war und ich auf den Weg zurück zur Wechselzone abbiegen durfte. Nicht jedoch, ohne auf den letzten Kilometern noch Reik auf der Strecke zu sehen, der vor kurzem zum Laufen gewechselt haben musste. Ab der Wechselzone wieder das Übliche: Bei der Linie runter vom Fahrrad und schieben bis zum Radständer, Fahrrad aufhängen, Helm ab, Schuhe ab, Socken an, Schuhe an, Sonnenbrille auf, Startnummernband nach vorne und los ging es auf den Halbmarathon. Nicht jedoch, ohne vorher den Brustgurt abzuwerfen. Der nervt mich beim Laufen und ich laufe eh nicht nach Herzfrequenz, von daher war es kein Verlust.

Da war ich nun also. Auf den ersten Metern des Halbmarathons nach 1,9 Kilometer Schwimmen und 98 Kilometer Fahrradfahren. Es wirkte irgendwie etwas unrealistisch, jetzt wirklich einen Halbmarathon und nicht nur 5 oder 10 Kilometer laufen zu müssen, aber ich wusste ja, dass ich das kann. Zu wissen, dass es mit ziemlicher Sicherheit eben nicht nur ums Ankommen geht, sondern um das Wie beim Ankommen, gibt einem eine gewisse innere Ruhe. Nur war ein Halbmarathon dann doch etwas, was sich noch als noch ziemlich lange Strecke herausstellen sollte. Mein Plan beim Laufen war, die ersten 5 Kilometer zwischen 5:40 und 6:00min/km zu laufen und danach, wenn die Beine es mitmachen, das Tempo etwas zu steigern. So lief ich also für mich relativ entspannt los und natürlich, es war wieder zu schnell. Die ersten 3 Kilometer lief ich in 5:30min/km bei einem Puls von 149 laut Herzrequenz-Messung am Handgelenk. Ob die genau ist oder nicht, da scheiden sich die Geister. Ich glaube dem jedenfalls nicht so recht.

Es galt, beim Laufen eine 10,5 Kilometer lange Runde zwei Mal zu laufen, die Laufrunde ging erst entlang der Radstrecke und nahm anschließend einen anderen Weg. Auf den ersten Kilometern gingen mir folgende Dinge durch den Kopf: Sehe ich Tom Freitag noch auf dem Fahrrad, wie er mir entgegenkommt? Und was denken sich die Zuschauer auf der Strecke eigentlich gerade, wenn man komplett locker und nicht ansatzweise schnaufend an ihnen vorbeiläuft? Ich wusste, dass es so richtig ist (denn wann man bei KM1 schon so richtig schnauft, dann wird es wohl ein langer langer Tag werden), aber dennoch hatte ich Angst, dass gleich wer ruft: „Jetzt lauf doch mal schneller, du strengst dich ja gar nicht an“. Klingt dumm, aber während eines Wettkampfes gehen einem wirklich viele dumme Dinge durch den Kopf.

Nach genau 3,1 Kilometern traf mich der erste Schock beim Laufen. Auf was zur Hölle laufe ich denn da gerade? Rechts von der Straße führte der Weg in einen Wald. Sand, so locker, dass man beinahe 2-4cm bei jedem Schritt einsinkt? Dazu bewurzelter Waldboden? Dichte Bäume über einem, die jegliches GPS-Signal abhalten? Das war für mich belagtechnisch der absolute Worst Case. Ich bin fast 100% Asphaltläufer, weil meine Wettkämpfe (und die, die ich ursprünglich geplant habe) alle auf Asphalt gelaufen werden und nicht im Wald. Demnach gingen mir in dem Moment genau folgende Dinge durch den Kopf, die für die Motivation nicht gerade förderlich waren. Waldboden, insbesondere mit lockerem Sand, bedeutet:

  • Schlechterer Abdruck und durch das Einsinken verpufft ein Teil der Energie, ergo ist man langsamer bei gleicher Anstrengung oder angestrengter bei gleichem Tempo
  • Durch das fehlende GPS-Signal wieder keine korrekte Pace auf der Uhr, an der man sich orientieren könnte
  • Deutlich höhere Sprunggelenks- und Wadenbelastung durch das stetig „schiefe“ und „schräge“ Aufkommen bei Wurzeln, Steinen und Co. am Boden.

Wie soll ich so einen Halbmarathon laufen? Komischer Gedanke, ich weiß.

Aber gut, ich lachte auch kurz inenrlich über die Ironie dieser Situation. Dass es auch wirklich gerade so(!) ein Belag sein musste. Was solls, ich lief weiter. Das Laufen auf der ersten Runde wurde nach und nach etwas anstrengender, aber noch nicht so, dass ich es als wirklich richtig anstrengend empfunden hätte. Auf der zweiten Hälfte der ersten Runde kam mir Tom Freitag entgegen und er wirkte auch noch ganz fit. Ich hoffentlich auch noch, denn gefühlt ging es ganz gut. Am Ende der ersten Laufrunde galt es, eine Runde durch das Stadion zu laufen – vorbei am Zielkorridor – und sich wieder auf die zweite Laufrunde zu begeben. Als ich auf das Stadion zulief, rief mir plötzlich jemand etwas entgegen und ich erkante Marlene am Rand. Da hatte ich mich riesig gefreut, Zuschauer sind immer etwas ganz tolles, vor allem, wenn sie einen persönlich kennen! Sie fragte, wir es mir ging und es ging mir noch ganz gut. Auf der Stadionrunde traf ich auf einen älteren Staffelläufer, mit dem ich etwas ins Gespräch kam. Wir scherzten etwas darüber, dass wir uns doch die zweite Runde gerne sparen würden, aber es half ja nichts. Er war als Staffelläufer am Start, aber gesundheitlich etwas angeschlagen, ich war bei meinem Mitteldistanzdebut als Einzelstarter dabei.

Ab dem 12. Kilometer konnte ich sein Tempo leider nicht mehr mitlaufen und ich verabschiedete mich mit dem Dank an das nette Gespräch. Zurückblickend betrachtet war es wohl auch nicht ganz so clever, überhaupt mitzulaufen, denn wir sind da für die 2 gemeinsamen Kilometer irgendwas zwischen 5:10 und 5:25min/km gelaufen. Und ab Kilometer 12,5 nahm das Unheil seinen Lauf. Es fing erst damit an, dass ich relativ plötzlich anfing, extrem kurzatmig zu werden. Das kannte ich schon von zwei langen Läufen im Training und das war ein klares Zeichen für: Keine Sprit mehr im Tank zum verbrennen. Gleiches Tempo, gleicher Puls, aber eine deutlich höhere Atemfrequenz. Höchste Zeit für das erste Gel und einen kurzen Stop bei der Verpflegungsstation, um etwas Cola zu trinken! Wenn Wunder wahr werden: Nicht einmal 500m später ging es mir gleich wieder etwas besser. Doch dann galt es, den Wald ein zweites Mal zu bezwingen. Meine Beine fühlten sich schon relativ mies an und ich sah einen Starter relativ weit vor mir, der bereits gehen musste. Und natürlich habe ich zu diesem Zeitpunkt schon daran gedacht, eine Gehpause einzulegen. Schon mehrfach.

Nicht einmal einen Kilometer später wurde aus der Überlegung ein Kampf. Nur noch bis zur nächsten Verpflegungsstation durchhalten, da kannst du wieder Cola trinken und kurz stehen bleiben. Und so schleppte ich mich im wahrsten Sinne des Wortes bis zur Verpflegungsstation bei Kilometer 15. Und ich blieb stehen, trank Cola für Cola, kippte mir Wasserbecher um Wasserbecher ins Gesicht und in den Nacken. Während dieser Zeit hatte der Läufer, der vorhin gehen musste, wieder zu mir aufgeschlossen und wir liefen hintereinander weiter auf die letzten 6 Kilometer des Tages. Wir mussten an einer Pferdekoppel vorbei laufen, keine Bäume, kein Schatten, kein Wind, loser Schotter unter den Füßen und bergauf. Ich fragte mich die ganze Zeit, warum man uns so etwas antun musste. Und auch, warum ich mir so etwas antun musste. Kurze Zeit später war ich wieder auf der Hauptstraße angekommen, Tom Freitag kam mir wieder entgegen und sah genauso „glücklich“ aus wie ich. Jetzt galt es, noch 4,3 Kilometer geradeaus zu laufen. Erstaunlicher Weise habe ich an diese 4,3 Kilometer gar nicht mehr so viele Erinnerungen. Ich weiß noch, dass ich innerlich ungefähr hundert Kämpfe mit mir gefochten habe, ob ich endlich stehen bleibe und gehe oder doch weiter laufe. Ich weiß auch, dass es irgendwann so weh getan hat, mental und körperlich, dass man nicht mehr an irgendein Tempo denkt oder wie man gerade läuft. Das war wahrscheinlich das erste Mal in meiner Laufkarriere, dass ich 4 Kilometer gelaufen bin, ohne einmal auf die Uhr zu schauen, wie schnell/weit/etc. ich laufe. Es fühlte sich auch nicht mehr an wie laufen, eher wie ein ganz unschönes Schlurfen, Fuß für Fuß nach vorne, ja nicht stehen bleiben. Ein Wunder, dass die Füße nicht einfach nachgaben und man stürzt. Ich war irgendwie so gefesselt in diesem Rythmus, dass ich die letzte Verpflegungsstation auslies, weil ich auf keinen Fall einen Halt machen wollte. Nicht stehen bleiben, immer weiter und weiter. Keine Gehpausen. Aua, es tut so verdammt weh.

Ein Lichtblick am Horizont war, dass ich circa. 1,2 Kilometer vor dem Ziel den älteren Läufer, der mit mir zusammen auf die zweite Laufrunde gestartet ist, wieder überholt hatte. Und wie immer die pure Angst vor dem Zielsprint, weswegen ich auf den letzten 500m noch versucht habe, das Tempo etwas zu erhöhen und immer panisch nach hinten geschaut habe, ob noch wer kommt oder nocht. Irgendwie musste ich an diesem Zeitpunkt an Tom Freitag denken, wie er sich bei seinem letzten gemeinsamen Rennen mit Dennis Fischer langsam an ihn heran gepirscht hat und auf den letzten Metern an ihm vorbeigezogen ist. Und ich hatte plötzlich Angst, dass mir das auch passieren würde. Und so drehte ich mich noch ein paar Mal ängstlich um, um zu prüfen, dass wirklich keiner direkt hinter mir war.

Ich war im Ziel, so unwirklich. Ich weiß nicht mehr, wer mir die Medaille umgehangen hat. Nur noch, dass Reik im Ziel auf mich gewartet hat, abgeklatscht hat und ich erst einmal in den Schatten musste. Trinken, Trinken, Schatten, Trinken.

Ich habe es geschafft. Meine erste Mitteldistanz in 5:41:37h gefinisht.

 

Rückblick

Wir haben es geschafft!

Es ist erstaunlich, wie schnell man in der Lage ist, die ganzen Qualen und Schmerzen zu vergessen, die man insbesondere beim Laufen durchlitten hat. Am Tag des Wettkampfs stand für mich eigentlich fest, dass ich im Jahr 2019 keine zwei Mitteldistanzen machen werden. Wofür soll ich mich gleich zwei Mal so quälen? Jetzt, 1,5 Wochen später, ist das komischer Weise ganz anders und ich kann es mir doch irgendwie wieder vorstellen. Wie hart war die Mitteldistanz im Vergleich zur Kurzdistanz? Eine gute Frage, weil irgendwie schwer zu beantworten. Ich bin generell der Meinung, dass jede Triathlon-Distanz unglaublich hart sein kann. Denn je kürzer die Distanz, desto näher ist man an seiner Leistungsgrenze, sprich desto deutlich mehr Sptzenleistung muss man liefern. Ein Aspekt, den ich jetzt jedoch verstehe, ist der Ermüdungs- und Belastungsschmerz und vor allem die mentale Komponente. Eine Sprint- oder Kurzdistanz ist meiner Meinung nach einfach nicht lang genug, um wirklich solche Schmerzen zu haben. Es ist anstrengend, die Muskeln brennen vielleicht, die Puste ist am Limit und die Lunge tut weh. Aber man hat nicht diese Schmerzen in Gelenken und Muskeln aufgrund der Ermüdung, weil das Rennen irgendwie zu kurz ist. Das ist denke ich der größte Unterschied zwischen Mitteldistanz und Sprint- bzw. Kurzdistanz: Schmerzmanagement (so nenne ich es mal). Man muss lernen, mt Schmerzen umzugehen.

Bin ich zufrieden mit meiner Leistung? Irgendwie schon. Ich bin nicht unglaublich stolz darauf, aber es lief eigentlich genau so, wie ich es erhofft hatte. Beim Schwimmen wollte ich gut mitkommen und unter 45 Minuten schwimmen, beim Radfahren wollte ich nicht überzocken, aber auch nicht zu wenig treten und auch beim Laufen bin ich ohne Einbrechen und Gehpausen auf der Strecke durchgekommen.

Mental haben mir denke ich folgende Gedanken am meisten weitergeholfen:

  • Du wirst mentale und physische Tiefs haben, das ist normal. Die gehen aber wieder vorrüber.
  • Du hast ewig gepredigt, wie wichtig mentale Härte ist. Jetzt darfst gerade du nicht deswegen einbrechen
  • Selbst ein 7er Schnitt ist deutlich deutlich schneller als Gehen.

Und man kann sich ja auch immer etwas selbst bescheißen, auch im Nachhinein. Wäre die Radstrecke regulär gewesen, also 90 statt 98 Kilometerlang, wäre ich mit meinem Tempo von 34 Km/h etwas mehr als 14 Minuten weniger unterwegs gewesen. Zieht man die 14 Minuten von meiner Gesamtzeit von 5 Stunden und 41 Minuten ab, so war es eigentlich ein Finish in 5 Stunden und 27 Minuten, also Sub 5:30. Also so rein rechnerisch, ihr wisst schon! Hätte, wenn und aber.

Zahlen und Fakten

Ein Bild sagt ja bekanntlich mehr als tausend Worte. 

Wie cool ist das bitte, dass man seine Zeiten gleich ausgedruckt bekommt nach dem Zieleinlauf?

Dann fangen wir mal an mit dem Schwimmen. Mein Ziel war, unter 45 Minuten zu schwimmen. Gebraucht habe ich 42:13 Minuten, das entspricht einem Tempo von 2:13min/100m. Damit war ich Platz 59 von 87 Overall. Im Schnitt bin ich mit 52 Zügen pro Minute geschwommen, was zeigt, dass ich wieder zu sehr gleite und meine Frequenz zu niedrig ist.

Für den ersten Wechsel brauchte ich 2:28min und war damit erstaunlicher Weise Platz 14 von 87. Doch nicht so schlecht wie gedacht.

Für die 98km Radfahren habe ich 2:53:28 gebraucht und lag damit auf Platz 27 Overall. Nach offizieller Zeitmessung bin ich 34 km/h gefahren, dafür habe ich 176 Watt Average bzw. 181 Watt Normalized Power benötigt. Das zeigt, dass ich relativ gleichmäßig gefahren bin, der Variability Index (VI) betrug 1,03. Das habe ich im Training zwar schon besser hinbekommen, aber was solls. Der Intensity Factor betrug 0,77 und lag damit in meinem Zielgebiet zwischen 0,75 und 0,8.

Der zweite Wechsel wurde in 2:13min absolviert, damit belegte ich nur noch Platz 47. Hier habe ich aber auch ganz schön getrödelt…

Den abschließenden Lauf habe ich in 2 Stunden, 1 Minute und 15 Sekunden absolviert. Ich lief den Halbmarathon somit in einer durchschnittlichen Pace von 5:38min/km laut der offiziellen Zeitmessung bzw. 5:44min/km, wenn ich die Strecke mit der Zeit ins Verhältnis setze.

In Summe war ich damit auf Platz 43/87 Overall und somit unter den besten 50 %. Yeah!

Zu guter letzt noch die zeitliche Entwicklung zwischen Tom Freitag, Reik und mir im Rennverlauf: